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ADHS – das steckt hinter der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung

Text: Kirsten Hemmerde
Ein kleiner Träumer, ein Zappelphillip - oder ein Kind mit ADHS? Die Grenze zur Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung ist fließend. Dabei ist es wichtig, dass Symptome bei Kindern rechtzeitig erkannt werden.

Was ist ADHS?

Inmitten des ohnehin schon lebhaften Familienalltags gibt es Kinder und Eltern, die mit der die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung zusätzlich eine besondere Herausforderung meistern. ADHS ist eine neurobiologische Erkrankung, die sich durch diese Symptome äußert:

  • Impulsivität: Das Kind handelt spontan, ohne sich über die Konsequenzen seines Tuns Gedanken zu machen.
  • Starke Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen: Sich in der Kita auf ein Spiel konzentrieren? In der Schule längere Zeit dem Unterricht folgen? Das fällt Betroffenen oft sehr schwer. Denn Unaufmerksamkeit ist eines der zentralen Merkmale dieser Erkrankung.
  • Ausgeprägte Hyperaktivität: ADHS-Betroffene werden oft als Zappelphillip bezeichnet. Sie haben einen großen Bewegungsdrang und können nur schwer ruhig sitzen. Meist rutschen, kippeln und wackeln sie auf dem Stuhl oder stehen zwischendurch auf.

Betroffenen Kindern fällt es schwer, sich zu konzentrieren und ihr impulsives Verhalten zu kontrollieren. Diese Verhaltensstörung wirkt sich oft auf den sozialen Alltag, auf Kindergarten und Schule aus. Eine frühzeitige Diagnose und geeignete Therapien können Kinder mit ADHS besser unterstützen und dabei helfen, ihre individuellen Stärken zu fördern.

Schon Babys können Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung zeigen

Etwa drei bis sechs Prozent aller Kinder und Jugendlichen sind von ADHS betroffen. Die Diagnose wird bei Jungen häufiger gestellt als bei Mädchen. Die Erkrankung tritt meistens früh im Kindesalter auf. Viele Betroffene erhalten die Diagnose noch im Kita-Alter. Je nach Altersgruppe unterscheiden sich die Anzeichen für die Verhaltensstörung:

  • Säugling: Die Diagnose von ADHS im Säuglingsalter gestaltet sich schwierig. Aber Langzeitstudien zeigen einen Zusammenhang mit Regulationsstörungen wie Schlaf- und Fütterproblemen. Babys mit ADHS-Prädisposition sind oft unruhig, schreien viel und wirken schlecht gelaunt. Manche Säuglinge lehnen auch Körperkontakt oder Kuscheln mit den Eltern ab.
  • Kleinkind: Auch in dieser Altersklasse ist nicht einfach, die Diagnose zu stellen. Typische Anzeichen sind ausgeprägte motorische Unruhe, schlechte Konzentrationsfähigkeit und soziale Probleme. Betroffene Kinder haben Schwierigkeiten, Freundschaften zu schließen, können sich beim Spielen schlecht konzentrieren und neigen zu häufigen Aktivitätswechseln. Ihre Trotzphase verläuft intensiver. Sie lernen entweder besonders früh sprechen oder spät – daher kann der Spracherwerb ebenfalls als Diagnosekriterium gelten. Weiteres Merkmal sind motorische Probleme zum Beispiel beim Basten mit der Schere oder der Stiftführung.
  • Grundschulkinder: In diesem Stadium treten verstärkt Symptome wie geringe Frustrationstoleranz, pausenloses Sprechen und häufiges Unterbrechen anderer, Ungeschicklichkeit und Schwierigkeiten bei der Regelbefolgung auf. Grundschulkindern zeigen oft eine Rechen- oder eine Lese-Rechtschreib-Schwäche sowie eine krakelige Handschrift. All das sorgt für Probleme im Klassenverband und kann dazu führen, dass sich die Betroffenen isoliert fühlen.
  • Jugendliche: Auch bei Jugendlichen mit ADHS zeigt sich weiterhin die Unaufmerksamkeit – meist begleitet durch eine „Alles-egal-und-keinen-Bock-auf-gar-nichts-Haltung“. Sie neigen zu riskantem Verhalten. Viele kämpfen mit geringem Selbstbewusstsein, einige sogar mit Ängsten oder Depressionen.

Das sind die Ursachen und Risikofaktoren

Die genauen Ursachen von ADHS  sind nicht eindeutig geklärt. Höchstwahrscheinlich spielt eine Kombination von genetischen, neurobiologischen und Umweltfaktoren eine Rolle. Hier sind einige potenzielle Ursachen und Risikofaktoren:

  • Neurobiologische Faktoren: Bei ADHS-Betroffenen arbeiten bestimmte Hirnregionen anders. Es fehlen ausreichend Botenstoffe, um Nervenzellen zu stimulieren. Unter anderem ist die Produktion des impulsregulierenden Serotonins und des aufmerksamkeitssteuernden Dopamins zu gering. Zudem kann das Gehin Informationen nur unzureichend verarbeiten. Daher sind erkrankte Kinder den Reizen und Einflüssen der Umwelt nahezu ungefiltert ausgesetzt.
  • Vererbung: Es besteht eine starke genetische Komponente bei ADHS. Sind nahe Verwandte von der Störung betroffen, erhöht sich das Risiko für Kinder. Das gilt vor allem für Jungen, wenn ein Elternteil bereits an der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung leidet.
  • Schwangerschaft und Geburt: Drogen- und Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft, zu wenig Sauerstoff bei der Geburt oder auch ein geringes Geburtsgewicht sind weitere Risikofaktoren.
  • Äußere Einflüsse: Erziehung und Umwelteinflüsse können den Verlauf der Verhaltensstörung ebenfalls beeinflussen. Erlebt das Kind beispielsweise wenig Zuneigung, Stress im Elternhaus, psychische Erkrankungen der Eltern oder auch laufende Maßregelungen in Schule oder Kita, haben all diese Faktoren eher ungünstige Auswirkungen auf ADHS-Symptome und können diese noch verstärken.

Ganz wichtig: ADHS wird nicht durch die Erziehung verursacht. Der Hauptgrund liegt in veränderten Gehirnfunktionen der Betroffenen. Allerdings können einige Einflussfaktoren die Störung zusätzlich verstärken – oder auch positiv beeinflussen. Daher ist eine ganzheitliche Herangehensweise entscheidend für die effektive Behandlung.

So wird die Diagnose ADHS gestellt

Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung zählt zu den besonders gut erforschten neuobiologischen Erkrankungen. Daher gibt es genaue Leitlinien und Eckpunkte für die Versorgung von betroffenen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Vermutest du, dass dein Kind an dieser Störung leiden könnte, kannst du dich an den Kinderarzt wenden, aber auch an einen Kinder- und Jugendpsychiater, an Beratungsstellen oder an die Ambulanzen Kinder- und Jugendpsychiatrischer Kliniken, die sich meist in Kinderkliniken befinden. Mache dir am besten vor dem Arztbesuch Notizen mit möglichen Auffälligkeiten oder besonderen Situationen, die du mit deinem Kind erlebt hast. In Gesprächen mit dir und deinem Kind, anhand von Fragebögen, aber auch mit Verhaltensbeobachtungen und durch Untersuchungen machen sich die Spezialisten dann ein Bild. Das ist oft gar nicht so einfach, denn viele ADHS-Symptome sind für sich allein genommen typische Begleiterscheinungen während der Trotzphase oder auch der Pubertät. Daher sind oft mehrere Arztbesuche oder auch Überweisungen notwendig.

Diese Behandlungsmöglichkeiten gibt es

ADHS ist eine Störung mit vielen Gesichtern. Sie lässt sich nicht heilen, aber behandeln. Daher erhalten Betroffene eine individuelle, auf sie und ihre Bedürfnisse angepasste Therapie. Zu Beginn steht die ausführliche Beratung der Eltern und Kinder. Die Behandlung kann dann eine oder mehrere dieser Optionen umfassen:

  • Verhaltenstherapie: Therapeuten zeigen dem Kind, wie es sein Verhalten lenken und steuern kann. So wird geübt, das Handeln zunächst zu planen und es dann erst auszuführen. Zudem erhalten die Kinder praxisnahe Tipps – zum Beispiel für mehr Struktur beim Spielen, beim Lernen oder für einen ordentlichen Tornister.
  • Elternarbeit: Eltern können betroffene Kinder maßgeblich unterstützen und fördern. In speziellen Angeboten lernen die Partner, wie sie ihrem Kind klare Anweisungen geben, für Struktur und Ruhe sorgen und das Verhalten positiv bestärken. Oft hilft Eltern auch der gemeinsame Austausch in Selbsthilfegruppen.
  • Medikamente: Je nach Ausprägung der ADHS-Symptome kann der Arzt Medikamente verschreiben. Als Wirkstoffe kommen zum Beispiel Mthylphenidat (in Ritalin oder Medikinet) oder Atomoxetin in Frage.
  • Einbindung der Umwelt: Auch Lehrer, Kita-Bezugspersonen oder Trainer in Sportvereinen können in die Behandlung einbezogen werden. Gemeinsam werden Ziele für das Kind und mögliche positive wie negative Konsequenzen besprochen.
  • Weitere Maßnahmen: Rund um ADHS wird auch in weiteren Feldern wie der Ernährung, Homöopathie oder auch dem Neuro-Feedback per Computer geforscht. Weil noch keine eindeutig positiven Ergebnisse vorliegen, sind viele dieser Ansätze noch nicht in die Behandlungsleitlinien aufgenommen worden.

Das Positive nicht aus den Augen verlieren

Oft gelten ADHS-Betroffene als Problemkinder. Dabei ist es – gerade für Eltern und auch für das Selbstbewusstsein des Kindes – besonders wichtig, das Positive zu sehen. Denn Menschen mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung haben oft erstaunliche Gaben.Viele Kinder zeigen eine hohe Kreativität und denken oft außerhalb konventioneller Grenzen. Ihre Impulsivität kann zu innovativen Ideen führen. Die außergewöhnlich starke Energie von Kindern mit ADHS kann ansteckend und mitreißend sein. Oft macht es Spaß, sich mit ihnen im wilden Spiel zu verlieren und Grenzen zu testen. Viele Kinder haben eine große Ausdauer, wenn sie sich für etwas begeistern. Davon profitieren zum Beispiel im Sport auch die Mitspieler.

 

 

ÜBER Kirsten Hemmerde

Kirsten kennt als Mama von zwei Jungs sowohl die schönen als auch die chaotischen Seiten des Familienlebens. Die gelernte Journalistin wohnt mit ihrer Familie im Ruhrgebiet, urlaubt gerne in Holland und genießt es, mit ihren Kindern in die bunte Welt aus Bausteinen, Büchern und Basteleien einzutauchen.

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