Dein Kind hört nicht? So vermeidest du Anschreien
Vielleicht ist es der morgendliche Wahnsinn, wenn das Frühstück auf dem Boden landet, die Schuhe versteckt sind und die Zeit davonrennt. Oder der schier endlose Kampf am Abend, wenn die Hausaufgaben nicht erledigt werden, das Spielzeug überall verstreut ist und die Kinder nicht ins Bett gehen wollen. In diesen Augenblicken sind wir als Eltern oft versucht, laut zu werden. Doch während das Anschreien vielleicht wie eine schnelle Lösung erscheint, weißt du tief in deinem Herzen, dass es nicht der richtige Weg ist, mit deinem Kind zu kommunizieren.
Anschreien – was steckt dahinter?
Wir merken oft, dass uns das Verhalten unseres Kindes auf die Palme bringt. Ist eine rote Line überschritten, wird die Stimme lauter. Doch warum eigentlich? Für eine richtige, lösungsorientierte Reaktion ist es es wichtig, die Gründe zu verstehen. Das kann hinter dem Anschreien stecken:
- Frustration und Hilflosigkeit: Wenn ein Kind wiederholt nicht auf Bitten oder Anweisungen reagiert, fühlen sich viele Eltern frustriert und auch hilflos. Sie wissen nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Machtlosigkeit und Überfprderung können dazu führen, die eigene Stärke auszuspielen und zu schreien.
- Ärger über Unannehmlichkeiten: Ihr müsst pünktlich zu einem Arzttermin oder in der Kita sein? Wenn dann das Kind nicht hört und man zu spät kommt, fürchten viele unangenehme unangenehme Konsequenzen. Anschreien soll dann helfen, dass das Kind endlich hört und sich fertig macht.
- Erwartungen und Perfektionismus: Oft setzen wir uns selbst und unsere Kinder unter Druck, bestimmten Erwartungen gerecht zu werden. Wenn das Kind nicht auf unsere Anweisungen hört, fühlen wir uns möglicherweise als Versager oder denken, dass wir als Eltern unser Kind schlecht erzogen haben.
- Angst um die Zukunft unseres Kindes: Eltern möchten immer das Beste für ihr Kind. Dazu gehört auch gutes Benehmen, um im Leben, der Kita oder der Schule besser zurecht zu kommen. Viele Eltern sind daher besorgt, wenn Kinder nicht hören. Sie fürchten, dass sich ihr Sprössling damit selbst schadet und seine Zukunft negativ beeinflusst.
Erkennst du dich in einem oder mehreren Punkten wieder? Das ist gut! Denn wenn du die Gründe kennst, die hinter deiner Reaktion stecken, kannst du auch daran arbeiten.
Das richtet ein wütender Ton bei Kindern an
Und das Arbeiten daran, sein Kind nicht mehr anzuschreien, ist sehr wichtig. Denn wenn Papa oder Mama schreien, kann das bei Kleinen wie Großen fatale Konsequenzen haben. Es wirkt sich auf ihre psychische Gesundheit und ihr Wohlbefinden aus. Manche Experten bezeichnen Anschreien daher auch als verbalen Missbrauch. Diese Folgen sind möglich:
- Geringeres Selbstwertgefühls: Kinder, die regelmäßig angeschrien werden, können ein geringes Selbstwertgefühl entwickeln und an ihrem eigenen Wert zweifeln. Sie fühlen sich ungeliebt, unzureichend und unwichtig. Unter Umständen hat das langfristige Auswirkungen auf ihr Selbstvertrauen und ihre Lebenszufriedenheit auch im Erwachsenenalter.
- Angst und Unsicherheit: Anschreien erzeugt bei Kindern Angst und Unsicherheit. Sie fürchten sich vor der Reaktion ihrer Eltern. Daher gehen sie oft Konflikten aus dem Weg oder ziehen sich zurück, anstatt ihre Gefühle auszudrücken oder um Hilfe zu bitten.
- Vertrauensverlust: Kinder brauchen Vertrauen und Sicherheit in ihren Beziehungen zu ihren Eltern, um sich emotional zu entwickeln. Das Anschreien kann das Vertrauen der Kinder in ihre Eltern erschüttern.
- Aggressives Verhalten und Wutausbrüche: Für Kinder, die regelmäßig angeschrien werden, sind Aggression und Wutausbrüche gelernte Wege, um mit Problemen umzugehen. Sie imitieren oft das Verhalten ihrer Eltern und zeigen ähnliche Reaktionen in ihren eigenen Beziehungen. Das kann zu Schwierigkeiten in der Kita, der Schule oder im Freundeskreis führen.
- Schlechtere schulische Leistungen: Das Anschreien von Kindern kann sich auch auf ihre schulischen Leistungen und ihr Verhalten auswirken. Kinder, die unter ständigem Stress und Druck stehen, haben oft Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren.
- Beziehungsprobleme: Studien zeigen, dass ein destruktiver Umgangston gegenüber Kindern später zu Beziehungsproblemen führen kann. Zum einen können sich die Kinder schlecht in eine Gemeinschaft einfügen. Zum anderen besteht das Risiko, dass sie Partnerschaften führen, in denen sie erneut schädigendem Verhalten ausgesetzt sind. Des weiteren gibt es Anzeichen dafür, dass sie dieses Verhalten auch gegenüber ihren eigenen Kindern wiederholen.
Du siehst: Der Kommunikationsstil der Eltern kann die Entwicklung und das Verhalten des Kindes beeinflussen. Auch die Eltern-Kind-Beziehung wird maßgeblich durch den Umgangston geprägt.
Erste-Hilfe Tipps, um Anschreien zu vermeiden
Am besten ist es, alternative Wege für Konflikte und Herausforderungen zu finden. Wichtig dabei ist ein respektvoller und einfühlsamer Umgangston. Doch das ist leichter gesagt als getan. Was genau kann helfen, wenn gefühlt mal wieder eine rote Linie überschritten wurde und der Puls steigt?
- Tief durchatmen: Bevor du reagierst, nimm dir einen Moment, um tief durchzuatmen und dich zu beruhigen. Allein das hilft oft schon, Emotionen zu kontrollieren und sich zu zentrieren.
- Nicht persönlich nehmen: Sehe das Verhalten deines Kindes nicht als Angriff auf dich selbst. Dein Schatz liebt dich, ist aber in diesem Moment in sich selbst gefangen.
- Verständnis zeigen: Versuche, die Perspektive deines Kindes zu verstehen. Überlege, warum es nicht hört oder nicht kooperiert. Möglicherweise hat es Bedürfnisse oder Emotionen, die es nicht verbal ausdrücken kann. Vielleicht ist es gerade ins Spiel vertieft, müde, überfordert oder braucht nach einem langen Kita-Tag eine Pause? Gehe darauf ein: „Ich weiß, dass es schwer ist, sich von deinem Spiel zu trennen. Die drei Puzzlesteine kannst du gerne noch setzen und dann gehen wir los.“ So zeigst du, dass du dein Kind wahrgenommen hast.
- Klare Anweisungen geben: Formuliere deine Bitte klar und präzise. Vermeide lange Sätze und verwende einfache Worte, die dein Kind leicht verstehen kann. Zum Beispiel so: „Es ist bald Zeit zu gehen. Lass uns zusammenarbeiten und schnell unsere Sachen schnappen. Dann sind wir rechtzeitig beim Zahnarzt.“
- Geduld bewahren: Bleibe ruhig und geduldig, auch wenn dein Kind nicht sofort reagiert. Denn ein freundlicher Ton weckt eher die Kooperationsbereitschaft, ein aggressiver Ton dagegen lässt die Stimmung schnell auf Konfrontation umschlagen.
Deeskalationsstrategien – so beugst du vor
Wie wäre es, wenn konfliktreiche Situationen gar nicht erst entstehen? Manchmal können schon kleine Verhaltensänderungen ein Gamechanger sein. So funktionieren einige Eltern wie ein Reminder. Sie erinnern ihr Kind zunächst eine halbe Stunde, dann eine Viertelstunde und schließlich fünf Minuten vor Abfahrt an den Termin. So hat das Kind ausreichend Zeit, sich vorzubereiten und fühlt sich nicht überrumpelt. Andere Eltern wiederum planen als Plan B mehr Zeit ein. Sie geben dann dem Playdate Bescheid, dass sie sich um ein paar Minuten verspäten werden.
Helfen kann es auch, mit dem Kind auf wortwörtlicher Augenhöhe zu kommunizieren. Dabei beugst du dich zu ihm hinunter und schaust es direkt an, während du mit ihm sprichst. Auch Routinen und Strukturen unterstützen dein Kind dabei, seinen Alltag und terminliche Verpflichtungen zu bewältigen. Wenn immer abends aufgeräumt wird oder jeden Dienstag der Schwimmkurs stattfindet, haben viele Kinder diese Aufgaben nach kurzer Zeit verinnerlicht.
Was soll ich tun, wenn ich mein Kind doch einmal angeschrien habe?
Jetzt ist es doch passiert. Trotz allen guten Vorsätzen bist du gegenüber deinem Kind laut geworden. Und nun fühlt ihr euch beide schlecht. Was tun? Das kann helfen:
- Entschuldigung: Sage deinem Kind, dass es dir leid tut. Erkläre ihm, dass dein Verhalten nicht in Ordnung war und dass du es bedauerst. So zeigst du, dass du Verantwortung für dein Handeln übernimmst und stellst wieder eine Verbindung zu deinem Kind her.
- Reflektion: Denke über die Situation nach und finde heraus, was der Grund für dein Anschreien war. So erkennst du mögliche Auslöser oder Stressoren.
- Handlungsorientierte Lösungsansätze: Überlege gemeinsam mit deinem Kind alternative Strategien, um Konflikte und Frustrationen in Zukunft besser zu bewältigen. Frage dein Kind zum Beispiel nach seinen Gefühlen und Bedürfnissen. Dann kannst du darauf eingehen und eine Eskalation vermeiden. Vielleicht erfährst du so, dass der Tag für dein Kita-Kind laut und anstrengend war und es jetzt lieber mit dir kuscheln möchte als noch in die Stadt zum Schuhekaufen zu fahren.
- Selbstfürsorge: Wer entspannt ist, regt sich weniger auf. Achte daher auch auf dich selbst. Nimm dir Zeit deine Erholung . auch wenn manchmal nur kleine Pausen vom Alltag drin sind.
Niemand ist perfekt, und es ist völlig normal, dass Eltern manchmal Fehler machen. Das wissen Kinder auch. Der Schlüssel liegt darin, Verantwortung zu übernehmen, sich zu entschuldigen, aus der Situation zu lernen. So arbeitet ihr gemeinsam an eurer liebevollen und unterstützenden Beziehung.