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Erziehung: Darum braucht dein Kind Regeln und Grenzen

Text: Fenke Gabriel-Schwan
An der Hand über die Straße gehen, nicht mit dem Essen spielen: In jeder Familie gibt es Regeln und Grenzen. Doch warum eigentlich und wann kann man auch mal ein Auge zudrücken?

Ob er nicht heute vielleicht doch mal die Tapete anmalen darf? Vielleicht nur ein kleines bisschen? Neugierig schnappt sich der dreijährige Max den Bleistift und marschiert los zur Wand. Und schaut gleichzeitig gebannt zu seiner Mutter. Die ahnt schon, was er vorhat und schreitet mit einem klaren „Nein“ ein. Gut so. Denn so weiß Max, dass diese Regel weiterhin gilt. Diese Gewissheit ist wichtig, sagt Dorothea Jung. Sie ist die fachliche Leiterin für Onlineberatung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke). Gemeinsam mit ihrem Team berät sie jährlich tausende Eltern in Erziehungsfragen. „Kinder brauchen Sicherheit“, so Jung. „Sie vertrauen darauf, dass die Aussagen ihrer Eltern verlässlich sind. Es ist nicht gut für ihre Entwicklung, wenn sie diese Grenzen jedes Mal neu ausprobieren müssen und unterschiedliche Reaktionen bekommen.“

Welche Regeln gibt es für Kinder?

Hilfreich auch schon für die Kleinsten ist eine Unterscheidung in Regeln, die nicht hinterfragt werden dürfen und Familienregeln. „An der roten Ampel diskutiere ich nicht. Da ist klar, dass das Kind warten muss. Oder auch beim heißen Herd gilt immer ein Nein“, so Jung. Solche Grenzen vermitteln dem Kind nicht nur Sicherheit, sondern schützen es auch vor Verletzungen oder Unfällen. Regeln dieser Art gelten nahezu überall in allen Ländern und bei allen Betreuungspersonen. Darüber hinaus gibt es die Familienregeln. Diese Grenzen sind abhängig von den jeweiligen Wertevorstellungen in der Familie – also dem, was dir und deinem Partner wichtig ist. Jung erläutert: „Die eine Familie legt mehr Wert darauf, dass alle beim Essen bei Tisch sitzen bleiben. In der nächsten Familie ist pünktliches Zubettgehen besonders wichtig.“ Bei den Familienregeln sollten die Eltern die Prioritäten festlegen. Dazu kannst du dir mit deinem Partner überlegen, was euch besonders wichtig ist und wo ihr auch mal ein Auge zudrücken könntet.

Ab welchem Alter kann ich damit beginnen, Grenzen zu setzen?

Das funktioniert durch Vorleben von Anfang an. Wenn du schon mit deinem kleinen Kind im Buggy immer an der roten Ampel stehenbleibst, lernt dein Kind, dass hier eine besondere Situation vorherrscht. Sobald dein Kind Wörter versteht, kannst du ihm den Grund erläutern, weshalb du an der Ampel wartest. Das gleiche gilt bei dir zuhause. Da kannst du ihm auch schon frühzeitig erklären, dass das Essen in den Mund soll und nicht auf den Boden. Vermittle deine Regeln in einem ruhigen Ton. Üben begleitet dabei den Lernprozess. Wenn dein Kind größer wird, solltest du mit ihm aktiv über Regeln und Grenzen sprechen. „Schulkinder und Jugendliche halten sich eher an Absprachen, wenn sie dabei mitreden durften“, so die Erfahrung von Dorothea Jung. So können sie ihre Gründe vortragen und lernen auch die Gründe der Eltern kennen. Das trägt zu Toleranz und einem fairen Miteinander bei.

Was soll ich tun, wenn mein Kind sich nicht an Regeln hält?

Da kommt es auf die Regel an. Wenn das Kind über die rote Ampel laufen will, musst du sofort ohne Diskussion eingreifen. Nur so schützt du es vor einem Unfall. Anders sieht es bei Familienregeln wie zum Beispiel dem Aufräumen des Zimmers oder dem Tischdecken aus. „Wenn das Kind sich hier nicht an die Regeln hält, kann es hilfreich sein, ihm vorher Konsequenzen anzukündigen“, erläutert Jung. „Dann lässt man ihm die Wahl.“ Zum Beispiel kann das heißgeliebte Sandmännchen abends ausfallen, wenn nicht aufgeräumt wird. Die bke-Expertin: „Wichtig ist, dass die Konsequenz zeitlich im engen Zusammenhang mit dem steht, was passiert ist. Denn nur so können die Kinder eine Verknüpfung herstellen zwischen ihrem Regelverstoß und der Reaktion der Eltern.“ Die Konsequenz sollte angemessen sein, aber nicht überzogen. Und sie sollte auf jeden Fall folgen. Denn dein Kind braucht die Sicherheit, dass du eine Grenzüberschreitung siehst und einschreitest.

Bei Regeln auch dein Kind und Ausnahmen im Blick haben

Die Familienfeier dauert lang und dein Kind möchte noch aufbleiben? Es kommt eine tolle Serie, aber dein Kind hat seine Fernsehzeit schon überschritten? Wenn es für dich passt, kannst du problemlos mal ein Auge zudrücken. Denn schon die Kleinsten wissen: Ausnahmen bestätigen die Regel. „Innerfamiliäre Regeln wie Essen oder Zubettgehen sind nicht in Stein gemeißelt“, beruhigt Dorothea Jung. „Flexibilität ist angesagt solange die Grundregel klar ist und die Ausnahme auch als solche kommuniziert wird.“ Noch einen praktischen Tipp hat die Fachfrau für das Vermitteln von Regeln parat: „Müde und hungrige Kinder sind nicht mehr aufnahmefähig. Das ist kein guter Zeitpunkt, um Grenzen zu etablieren. Kurz vor dem Essen oder dem Mittagsschlaf kann man einfach nicht mehr viel erwarten.“

Du hast Fragen? Hole dir Hilfe

Viele Eltern sind verunsichert, wie sie ihrem Kind Grenzen setzen können. Oft fällt auch das Nein-Sagen schwer. Und was tun, wenn das Kind einfach keine Regel akzeptieren will? In solchen Erziehungsfragen bist du nicht alleine. Es gibt zahlreiche Erziehungs- und Familienberatungsstellen, die dir mit Rat und Tat zur Seite stehen. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz sorgt dafür, dass diese Leistungen sogar kostenlos sind. Die Bundeskonferenz für Erziehungsberatung, bei der die Expertin Dorothea Jung arbeitet, hat auf ihrer Website eine Beratungsstellen-Suche eingerichtet.

Die bke selbst ist Träger einer Onlineberatungsstelle. Nach der Registrierung auf https://eltern.bke-beratung.de erhalten Eltern Beratung und Begleitung im Einzelchat oder per Mail und können sich mit anderen Eltern im Gruppenchat oder im Forum austauschen. Über 2.500 Eltern haben sich dort zuletzt pro Jahr registriert, um diese Angebote in Anspruch zu nehmen.

Bildquellen: Pexel, Unsplash

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