Hochsensibles Kind – So kannst du es unterstützen

Vielleicht kennst du diese Momente: Dein Kind bricht in Tränen aus, weil es im Supermarkt so laut ist. Oder es beschäftigt sich minutenlang mit einer Ameise auf dem Gehweg und betrachtet jedes Detail fasziniert. Das kann herausfordernd sein. Gleichzeitig sind diese Situationen eine gute Gelegenheit, um zu schauen, ob du ein hochsensibles Kind haben könntest.
Was ist Hochsensibilität?
Hochsensibilität ist keine Krankheit und schon gar keine Laune. Es ist eine angeborene Eigenschaft, die schätzungsweise etwa jedes fünfte Kind betrifft. Ein hochsensibles Kind nimmt Reize intensiver wahr als andere und reagiert stärker auf diese Einflüsse. Es hört das leise Summen eines Kühlschranks, riecht dein neues Deo sofort, spürt kleinste emotionale Schwingungen im Raum und denkt über Dinge nach, die andere vielleicht nicht einmal bemerken.
Diese intensive Wahrnehmung ist auf der einen Seite ein Geschenk. Denn hochsensible Kinder sind oft kreative Köpfe. Sie bereichern unsere oft hektische und oberflächliche Welt, indem sie Dinge langsamer und mit mehr Achtsamkeit angehen. Auf der anderen Seite kann diese Gabe auch eine Herausforderung sein, die viel Zeit, Geduld und Verständnis benötigt.
Woran erkennst du ein hochsensibles Kind?
Bestimmte Verhaltensweisen können auf Hochsensibilität darauf hinweisen. Vielleicht bemerkst du bei deinem Kind eine oder mehrere der folgenden Eigenschaften:
- Überempfindlichkeit gegenüber Sinneseindrücken: Laute Geräusche, kratzige Kleidung oder grelles Licht stören dein Kind stärker als andere.
- Tiefe Emotionen: Dein Kind nimmt die Gefühle anderer stark wahr und kann lange über eine traurige Szene in einem Buch oder Film nachdenken. Es ist emotional schnell berührt, sei es von einem traurigen Film oder von einem lobenden Wort.
- Grübeln: Es denkt lange über Erlebnisse nach und sucht nach Antworten auf große Fragen. Ein hochsensibles Kind grübelt oft über Dinge, die Gleichaltrige kaum beschäftigen.
- Empathie: Dein Kind spürt, wie andere sich fühlen, oft bevor diese Personen sich selbst ausdrücken können. Es protestiert lautstark, wenn es Ungerechtigkeit beobachtet – selbst, wenn es gar nicht direkt betroffen ist.
- Rückzug: Nach intensiven Erlebnissen zieht sich dein Kind zurück, um die Eindrücke zu verarbeiten.
Erkennst du dein Kind in einigen dieser Punkte wieder? Dann kannst du den Test für ein hochsensibles Kind von Dr. Elaine Aron machen. Sie forscht bereits seit den 1990er Jahren zu diesem Thema und hat auch den Begriff der Hochsensibilität maßgeblich geprägt.
Die Herausforderungen hochsensibler Kinder
Stell dir vor, du würdest jede Emotion um dich herum spüren, jedes Geräusch doppelt so laut hören und jede Ungerechtigkeit bis ins Mark fühlen. So erleben hochsensible Kinder ihren Alltag. Das kann anstrengend sein. In der Schule kämpfen sie vielleicht mit der Lautstärke im Klassenzimmer oder fühlen sich müde von sozialen Interaktionen. Kritik trifft sie tief, und sie neigen dazu, sich selbst übermäßig zu hinterfragen. Konflikte mit Gleichaltrigen können ein hochsensibles Kind belasten. Es neigt dazu, sich selbst stark unter Druck zu setzen, alles richtigzumachen.
Diese Kinder stehen oft vor einer inneren Zerrissenheit: Sie möchten dazugehören, fühlen sich aber von der Welt überwältigt. Ihre Gabe, so tief zu fühlen und zu denken, wird in einer hektischen, leistungsorientierten Welt oft als schwierig wahrgenommen.
Wie du einfühlsam reagierst
Dein hochsensibles Kind braucht vor das Gefühl, verstanden und angenommen zu werden. So kannst du das erreichen:
- Zeige Akzeptanz: Sage deinem Kind, dass es genau richtig ist, so wie es ist. Seine Sensibilität ist ein Geschenk.
- Sorge für Rückzugsorte: Ein gemütliches Kinderzimmer, reizarmes Spielzeug, ein ruhiger Gartenplatz oder eine Leseecke können Wunder wirken.
- Kommuniziere klar: Hochsensible Kinder nehmen versteckte Botschaften oft wörtlich. Sei offen und ehrlich.
Wenn du dein Kind einfühlsam begleitest, stärkst du sein Vertrauen in sich selbst. Du schaffst eine Atmosphäre, in der es sich sicher und geborgen fühlt. So kann es Herausforderungen mutiger angehen.
5 hilfreiche Tipps für den Alltag
Wie sieht diese Begleitung denn nun konkret aus? Wir haben uns fünf häufig vorkommende Situationen für ein hochsensibles Kind unter die Lupe genommen. So könntest du reagieren:
- In Stresssituationen beruhigen: Wenn dein Kind vor Reizüberflutung steht, halte inne. Sag beruhigend: „Ich bin da. Wir finden einen Weg.“ Hilfreich können auch Atemübungen oder ein kurzer Spaziergang sein. Gedimmtes Licht und sanfte Musik schaffen eine beruhigende Atmosphäre.
- Ein positiver Umgang mit Kritik: Ein hochsensibles Kind nimmt Kritik sehr ernst. Statt zu sagen: „Das war falsch“, versuche: „Lass uns gemeinsam überlegen, wie es nächstes Mal besser klappt.“ Zeige, dass Fehler zum Lernen dazugehören.
- Soziale Herausforderungen meistern: Plane nach intensiven Tagen bewusst Pausen ein. Wenn dein Kind bei einem Streit sehr traurig ist, hilf ihm, die Emotionen zu benennen: „Du bist enttäuscht, weil dein Freund dich nicht mitspielen ließ. Das kann ich gut verstehen.“
- Förderung in der Schule: Sprich mit Lehrern über die Bedürfnisse deines Kindes. Vielleicht kann es in einer ruhigeren Ecke sitzen oder in freien Momenten eine kleine Pause einlegen. Lehrer schätzen solche Hinweise oft sehr.
- Routinen schaffen: Hochsensible Kinder lieben Verlässlichkeit. Eine klare Tagesstruktur gibt Sicherheit und verringert Stress. Plane auch entspannte Zeiten ein, in denen dein Kind einfach nur sein kann.
Hilfsangebote für Eltern
Viele Eltern hochsensibler Kinder schätzen den Austausch mit anderen Erziehenden. Informiere dich bei euren Familienzentren, der VHS oder der Familienbildungsstätte, ob sie Kurse zu diesem Thema anbieten. Auch online gibt es viele Gruppen und Coaches rund um hochsensible Kinder. Wenn du dich einlesen möchtest, ist das Buch „Das hochsensible Kind“ von Dr. Elaine Aron ein guter Start.
Bitte auch die Erzieher, Lehrer oder auch die Eltern der Freunde deines Kindes um Unterstützung, indem du sie mit ins Boot holst. So helft ihr deinem Kind gemeinsam, die Balance in einer oft herausfordernden Welt zu finden.